Mittwoch, 15. Dezember 2010

Titel

Mamma Mia


Ein Familienstück in 5 Szenen

von

Klaus Peter Buchheit

Personen

Personen:

Frau

Kind

Mann

Doktor

Helfer

Frauenchor

Männerchor



Während das Publikum sich setzt, nagelt ein Helfer eine Papierbahn an die hintere Wand. Die Papierbahn wird von einem einzigen Spot beleuchtet. Der Helfer pinselt mit roter Farbe folgende Strophe von Philip Larkin auf die Papierbahn:


They fuck you up, your mum and dad.

They may not mean to, but they do.

They fill you with the faults they had

And add some extra, just for you.


Sitzt das Publikum, reißt der Helfer die Papierbahn wieder von der Wand, zerknüllt sie u wirft sie ins Publikum. Der Helfer geht ab. Dann sehr langsamer Einzug des Lichtes.

1. Szene

1. Szene

Paradies


Die Bühne ist leer.


Links steht ein Männer-Chor.


Rechts steht ein Frauen-Chor.


Das Kind – gespielt von einem etwa dreißigjährigen Mann im Kommunionsanzug – betritt die Bühne und stellt sich an den vorderen Bühnenrand mit dem Rücken zum Publikum.


Der Frauen-Chor beginnt eine Litanei, die die ganze Szene über anhält: Er betet Urlaubsziele und die entsprechenden Preise herunter à la:

1 Woche Mallorca 349 €, 3 Tage Rom 59 €, 2 Wochen Malediven Halbpension 799 €

usw.


Der Männerchor antwortet mit einem steten:

Ist zu teuer – oder – keine Zeit – oder – nicht mit dir


Die Litaneien der beiden Chöre nehmen während der Szene immer wieder an Lautstärke zu bis hin zu einem einzigen Geschrei; dann werden sie wieder leise bis hin zu nahezu lautlosem Geflüster.


Der Mann – in Anzugshose, zugeknöpftem Hemd, aber hemdsärmelig, ein Stofftaschentuch mit vier Knoten als Kopfbedeckung – betritt die Bühne u. rollt auf der linken Seite der Bühne, direkt vor dem Männer-Chor, einen 2 mal 1 Meter großen Kunstrasenstreifen zur Bühnenmitte hin aus.

Er stellt sich vor den Kunstrasenstreifen, mit dem Rücken zum Publikum, und pisst auf den Kunstrasenstreifen. Dazu werden in großer Lautstärke über die Lautsprecher Pissgeräusche eingespielt.


Der Mann:

oh Gott, oh Gott, oh Gott, oh Gott


Das Kind erleidet einen Hustenanfall. Der Mann bemerkt das Kind trotzdem nicht.


Der Mann:

nee, nee, nee

nee, nee, nee


Der Mann schüttelt seinen Schwanz aus.


Die Frau – in einem altmodischen Badeanzug, auf dem Kopf eine Badehaube mit grünen Applikationen – kommt mit einer zusammengeklappten Strandliege unterm Arm auf die Bühne. Sie wirft dem Mann die Liege vor die Füße.

Der Mann rührt sich nicht.


Das Kind erleidet einen Niesanfall. Niemand reagiert darauf.


Die Frau seufzt. Dazu werden Seufzgeräusche in großer Lautstärke über die Lautsprechen eingespielt.


Sie atmet auffordernd. Auch diese Geräusche werden in großer Lautstärke über die Lautsprecher eingespielt.


Der Mann:

jaja, jaja

jaja, jaja

jaja, jaja


Mann und Frau stehen sich nun gegenüber, im Profil zum Publikum.


Männliche Stimme aus dem Off, die beiden Chöre flüstern unterdes ihre Litanei:


Morgens wenn alles schlief, schlich ich nackt aus dem Haus, in den Händen ein Messer, u. lief in den Wald. Ich fiel über äsendes Wild her u. schnitt ihm die Kehle durch. Die Hälse hielt ich über meinen Kopf u. duschte in dem Blut. Es rann mir in die Augen, es füllte meine Mundhöhle an u. es tropfte von meinem Schwanz. Ich trank u. fühlte das Brennen in den Augen als Beweis der Wirklichkeit meines Traumes. Ich steckte als Dank meinen Schwanz in die Halswunde u. spritze dem Tier meinen Samen in den Kopf.


Der Mann klappt die Liege auseinander u. stellt sie auf den Kunstrasenstreifen.


Die Frau zerrt eine Maschinerie auf die Bühne. In einem Rund mit anderthalb Meter Durchmesser sind Drähte gespannt. Wie ein Karussell lässt sich die Maschinerie in Bewegung setzen. Die Frau probiert es aus. Jahrmarktsmusik erklingt leise. Die Frau lacht. Sie stoppt die Maschinerie. Sie bindet an die Drähte bunte Plastikblumen im Abstand von 5 Zentimeter. Dabei lacht sie immer wieder laut auf oder verfällt für Augenblicke in einen katatonischen Zustand der Verträumtheit. Sind rundrum an den Drähten die Blumen angebracht, setzt sie die Maschinerie in Gang.


Der Mann legt sich unter die Liege. Er schreit kurz aus vollem Hals. Der Schrei wird als Echo über die Lautsprecher eingespielt.


Die Frau legt sich auf die Liege u. cremt Arme, Beine u. Gesicht mit Sonnencreme ein.

Dabei stöhnt sie immer wieder vernehmlich – wie unter großer Belastung.


Lautes, schweres Atmen einer Frau wird über die Lautsprecher eingespielt.


Weibliche Stimme aus dem Off, die beiden Chöre flüstern unterdes ihre Litanei:


Ich rannte mit dem schwarzen Hund über die Felder, die Ähren peitschten meine Beine. Der Saum meines Rockes wurde zerfetzt u. die Sonne brannte mir in den Nacken. Ich war eine junge Frau u. hatte eine weiße Haut. Meine Brüste waren wohlgeformt u. ich spürte die warme Erde unter meinen nackten Füßen. Als ich auf den Hof meines Vaters zurückkehrte, nahm er sein Gewehr u. zielte zuerst auf mich, dann auf den Hund u. drückte ab. Der Kopf des Hundes zerplatzte. Blut u. Hirn spritzte auf meine Bluse. Ich rannte in die Scheune u. unterdrückte meine Schreie. Ins Holz der Wand ritzte ich mit meinen Fingernägeln Flüche u. Schimpfworte, bis sämtliche Finger bluteten. Mit diesen Händen griff ich zwischen meine Beine u. wichste mir die Wirklichkeit des Traumes in den Kopf. Später setzte ich mich gewaschen, still u. mit verbundenen Fingern an den Küchentisch u. löffelte mit Vater Suppe aus einer Emailschüssel. Keiner sagte ein Wort.


Das Kind, das bisher unbeweglich am vorderen Bühnenrand stand, trippelt an den hinteren Bühnenrand u. pisst. Pissgeräusche kommen von Band. Es kehrt mit einer Pistole zurück u. stellt sich vor das Karussell mit den Blumen.


Der Mann unter der Liege schreit wie ein Schwein am Spieß.


Die Frau stöhnt laut auf u. dreht sich nervös von einer Seite auf die andere.


Das Kind zielt mit der Pistole auf die beiden. Dann auf die Blumen. Es schießt nach und nach den Blumen die Köpfe ab. Die Jahrmarktsmusik wird dabei zunehmend lauter, wohingegen die beiden Chöre verstummen.


Das Kind verzieht während des Schießens keine Miene.


Nachdem das Kind allen Blumen die Köpfe abgeschossen hat, verbeugt es sich vor dem Publikum u. stellt sich dann vor die Liege. Es hofft auf Belohnung für seine Leistung.


Das Kind stößt die Frau immer wieder an der Schulter an. Endlich reagiert sie u. steht unter großem Stöhnen von der Liege auf.

Die Frau sieht das sich drehende Karussell u. die kopflosen Stängel. Sie fällt theatralisch in Ohnmacht.


Das Kind glaubt, die Frau sei tot, u. es habe sie umgebracht. Es versteinert.


Der Mann schreit. Dann quält er sich unter der Liege hervor, sieht die Bescherung. Er schlägt brutal auf das Kind ein. Das Kind bleibt versteinert stehen.


Der Mann geht zu dem Karussell, reißt die Stängel vom Draht u. schmeißt sie auf einen Haufen. Er sammelt die abgeschossenen Blumenköpfe ein u. schmeißt sie auf den Haufen. Er nimmt das Taschentuch vom Kopf, zerknüllt es u. wirft es auf den Haufen. Dann zieht er aus seiner Hose eine Zeitung, faltet sie auseinander, zerknüllt sie u. schiebt sie unter den Haufen. Er nimmt ein Feuerzeug aus seiner Hose u. zündet den Haufen an.


Dann zerrt er das Kind vor den brennenden Haufen. Er öffnet die Hose des Kindes, holt seinen Pimmel heraus. Dann öffnet er die eigene Hose, holt seinen Schwanz heraus. Er pisst ins Feuer. Das Kind steht ungerührt da u. pisst nicht. Der Mann gibt ihm deswegen eine schallende Ohrfeige. Das Kind bleibt ungerührt.


Die Litaneien der Chöre schwellen bis zur Unerträglichkeit an.


Das Licht verlöscht. Die Litaneien der Chöre enden abrupt.


Bilder mittelalterlicher Totentänze werden an die hintere Wand projiziert. Dazu wird über die Lautsprecher der Gregorianische Choral „dies irae, dies illa“ eingespielt. Endet der Choral, stoppt auch die Projektion.


Das Licht geht kurz wieder an u. taucht die Bühne in gleißende Helligkeit. Die Bühne ist leer, selbst die beiden Chöre sind verschwunden.


Dann Licht aus.

2. Szene

2. Szene

Himmel


Die Bühne ist leer.


Der Männer-Chor tritt auf u. montiert Lichtstrahler am unteren Rand der hinteren Wand. Der Männer-Chor stellt sich vor die linke Hälfte der hinteren Wand.


Der Frauen-Chor tritt auf u. stellt sich vor die rechte Hälfte der hinteren Wand. Jede der Frauen hat einen Lichtstrahler in der Hand. Einzeln treten die Frauen vor u. montieren die Strahler am Boden vor den beiden Chören.


Der Männer-Chor beginnt zu stöhnen. Das Stöhnen hält mit zunehmender u. abnehmender Lautstärke die ganze Szene über an.


Der Frauen-Chor beginnt zu kichern. Das Kichern hält mit zunehmender u. abnehmender Lautstärke die ganze Szene über an.


Der Mann, gekleidet in einem altmodischen aber durchsichtigen Nachthemd u. in Socken, tritt auf. Er stellt eine Lazarettpritsche links von der Mitte der Bühne u. eine rechts von der Mitte der Bühne auf. Er knackt einige Nüsse, verschluckt sich, kriegt einen Hustenanfall, dann legt er sich auf die rechte Pritsche.


Die Frau, gekleidet in einem altmodischen aber durchsichtigen Nachthemd u. barfuss, tritt auf. Sie stellt drei weiße Stellwände aus Stoff so vor die beiden Pritschen, dass eine weitere Bühne auf der Bühne entsteht. Sie nimmt etliche Pillen, dann legt sie sich auf die linke Pritsche.


Abwechselnd leuchten die Strahler vor der hinteren Wand u. die vor den Chören auf, so dass einmal die Chöre als Schattenriss auf den Stellwänden zu sehen sind u. einmal die Pritschen mit Mann u. Frau.


Das Kind – gespielt von einem etwa dreißigjährigen Mann in billiger Unterhose – tritt auf. Es stellt einen wackligen Treppenabsatz in die Mitte vor die Stellwände. Das Kind setzt sich auf die oberste Stufe.


Die Chöre verstummen fast. Über die Lautsprecher werden weibliches, unruhiges Atmen, durchsetzt mit Seufzern, und männliches Schnarchen, durchsetzt mit spitzen Angstschreien, eingespielt. Das Kind spielt währenddessen mit seinem Schwanz. Das Kind wird während der Szene immer wieder von Würganfällen heimgesucht. Es glaubt, kotzen zu müssen, allerdings ist es jedes Mal falscher Alarm.


Mann und Frau erscheinen als Schattenriss. Beide erheben sich somnambul von ihren Pritschen u. stellen sich nebeneinander.


Mann:

Blöde Kuh.


Frau:

Arschloch


Mann:

Vertrocknete Ziege


Frau:

Wichser


Mann:

Frigide Nutte


Frau:

Schlappschwanz


Mann:

Kindsmörderin


Frau:

Kinderficker


Das Kind, in Halbdunkel getaucht, holt sich während der Beschimpfung einen runter.


Mann:

Schlammfotze


Frau:

Motherfucker


Mann:

Drecksau


Frau:

Hurensohn


Mann:

Schlampe


Frau:

Verlogenes Schwein


Mann:

Stück Scheiße


Frau:

Stück Scheiße


Beide legen sich wieder somnambul auf die Pritschen, allerdings die Frau jetzt auf die rechte Pritsche, der Mann auf die linke.


Das Kind trinkt Wodka u. wird allmählich betrunken u. schwankt etwas auf seinem Treppenabsatz. Es raucht einen Joint.


Männliche Stimme aus dem Off (Das Kind hält sich die Ohren zu, auf den Stellwänden ist der Chor als Schattenriss zu sehen):

Einst war ich ein gläubiger Mann. Einst war ich ein Beter u. betete laut Gott an u. im Verborgenen betete ich die Fotzen u. Ärsche der Frauen an. Einst gierte ich nach geistiger Nahrung u. saugte in Fantasien an prallen Titten. Einst war ich Soldat in der Etappe u. enthielt mich des Schlachtens, einst schnitt ich in Gedanken den Männern die Schwänze ab, da sie damit Lust empfanden. Ich fühlte Schmerz. Einst war ich im Traum Baum u. Strauch u. Vogel u. Pferd. Der Wind wärmte mich. Einst war ich im Traum Wind u. Wolke. Die Erde wärmte mich. Einst war ich im Traum All u. Sternennebel. Alle Sonnen wärmten mich. Einst nahmen die Soldaten mich mit in den Puff u. die Weiber zeigten mir ihre haarigen Mösen u. die Kerle zeigten mir ihre Schwänze u. hielten mir ihre Ärsche hin. Die Soldaten packten ihre Teile aus u. stießen ins hagebuttenfarbene Fleisch der jungen Frauen u. in die rosigen Löcher der Männer. Die Soldaten stellten sich vor die Weiber u. steckten ihre Schwänze in ihre Münder u. die Soldaten stellten sich vor die Kerle u. pissten ihnen ins Gesicht. Ich empfand Lust u. ich empfand Scham u. ich empfand Schuld. Ich nahm mein Bajonett u. schlitzte die Soldaten auf. Ihr Geschrei war mir Musik. Ich nahm das Messer u. schlitzte die Bäuche der Weiber auf, ihre Gedärme fielen wie kleine Cäsaren heraus. Ich hielt meine Pistole an die Schläfen der Kerle u zertrat mit meinen schweren Soldatenstiefeln ihre Schwänze u. Eier bevor ich abdrückte. Dann verließ ich den Puff, ging zurück in meine Etappe, reinigte mich im Meer u. betete den Rest der Nacht die Jungfrau Maria an, stella maris, meine unendliche Liebe.


Mann u. Frau erscheinen wieder als Schattenriss. Mann u. Frau erheben sich somnambul von ihren Pritschen u. stellen sich Aug in Aug mit dem Profil zum Publikum.

Sie schlagen einander mit wechselnder Intensität ins Gesicht. Die Schläge sind über die Lautsprecher wie aus Kung-Fu-Filmen zu hören.

Das Kind versucht auf seinem Treppenabsatz zu schlafen. Es wälzt sich unruhig hin u. her u. erstarrt schließlich in gänzlich braver Sitzhaltung.


Weibliche Stimme aus dem Off (das Kind verharrt in seiner Sitzhaltung, auf den Stellwänden der Chor als Schattenriss):


Dass ihr nichts denkt. Dass ihr nichts fühlt. Dass ihr nichts erkennt. Dass ihr nichts seht. Dass ihr dumm seid. Dass ihr kalt seid. Dass ihr naiv seid. Dass ihr blind seid. Dass ihr das seid, was mich nicht verdient hat. Ihr habt mich nicht verdient. Ihr nicht. Ihr Schlappschwänze. Ihr Wichser. Ihr dummen Dreckskerle, die ihr die Bedürfnisse einer Frau nicht zu befriedigen wisst. Wie habe ich wegen euch gelitten. Wie habt ihr mir das Leben schwer gemacht. Wie ging es euch stets besser. Wie ging es euch in eurer beschissenen Dummheit besser. Wie habt ihr mich betrogen, jeder drecksdummen Fotze u. Nutte seid ihr nachgelaufen. In jeden Tripperarsch habt ihr euren Wurm versenkt. Von jeder Schlampe habt ihr euch ins Maul scheißen lassen. Ihr habt mich betrogen. Ihr habt mich um mein Leben betrogen. Ihr habt mir die Scheißkinder, diese Drecksblagen, angehängt. Habt meinen Bauch aufgeschwemmt. Nichts konnte ich mehr essen. Nichts mehr trinken. Jahrelang gehungert. Nur wegen euch. Ihr konntet keine Ruhe geben. Konntet nicht verschwinden. Musstet meinen Liebsten vertreiben. Der wusste, ich bin was Besseres. Ihr bautet mir ein Haus, er hätte mir eine Villa gebaut. Ihr schwängertet mich, er hätte mich auf Händen getragen. Ihr redetet vom Geist, er hätte meinen Körper beglückt. Ihr erledigtet eure Pflicht, er hätte mich gefickt. Und jetzt. Jetzt bin ich alt. Und ihr seid schuld. Jetzt bin ich hässlich u. ihr seid schuld. Jetzt bin ich böse u. ihr seid schuld. Jetzt kann ich nicht verrecken u. ihr seid schuld.


Das Kind, immer noch in braver Sitzhaltung, dreht sich mit dem Rücken zum Publikum u. holt sich, so still sitzend u. unbeweglich wie möglich, einen runter. Kurz bevor es kommt, treten ein Mann u. eine Frau aus den Chören vor die Stellwände. Beide halten einen Eimer in Händen. In dem Moment, in dem das Kind kommt, schütten sie weiße Farbe über das Kind.

Die beiden reihen sich wieder in ihre Chöre ein.


Auf den Stellwänden erscheinen wieder die Pritschen, Mann u. Frau als Schattenriss. Beide erheben sich wieder somnambul, stellen sich Brust an Brust, ohne sich zu berühren, mit dem Profil zum Publikum. Das Stöhnen u. Kichern der Chöre verstummt. Das Licht auf der Bühne verlöscht so, dass nur noch die Stellwände hell u. die Schattenrisse zu sehen sind. Über Lautsprecher hört man ein lautes Atmen, das dann ebenfalls innehält. Für fünf Minuten ist absolute Stille auf der Bühne. Mann u. Frau, Brust an Brust ohne sich berühren, bleiben absolut regungslos.


Dann setzt das Atmen wieder ein. Ebenso das Stöhnen u. Kichern der Chöre. Mann u. Frau nehmen somnambul ihre Pritschen u. gehen ab.

Die Chöre beenden ihr Stöhnen u. Kichern u. gehen ab.


Die Bühne wird in Schwarzlicht getaucht.


Das Kind stellt sich vor die Stellwände u. schreibt mit dem Finger auf die Leinwand. Zuerst benutzt es die Farbe, die an seinem Leib klebt, dann die Reste aus den beiden Eimern. Das Kind schreibt in Zeitlupentempo u. großen Buchstaben, so dass am Schluss alle drei Stellwände zugeschrieben sind. Die Schrift und das Kind leuchten im Schwarzlicht.


Das Kind schreibt:


Vater, ich lag wach in der Nacht u. eine große Angst kam über mich. Ich sah ein Schattenspiel an der Wand u. das Schattenspiel hatte ein Gesicht und das Gesicht hatte Hörner. Vater, ich traute mich nicht aufzustehen, das Licht anzuschalten u. mir etwas zu trinken aus der Küche zu holen. Ich lag da u. Stürme der Furcht tobten über meine Haut. Vater, du warst gestorben, zerfressen von einer Krankheit, von deiner Krankheit, von dir selbst. Vater, warum bist du in dieser Nacht zu mir zurückgekehrt. Wolltest du mir zeigen, wer ich bin? So höre, wer ich bin: Mir träumte in der Nacht, meine Brüder u. Schwestern hätten das Tribunal einberufen u. sie selbst waren die Richter. Sie befanden unsere Mutter für schuldig u. verurteilten sie zum Tode durch das Beil. Sie ernannten mich zum Vollstrecker des Urteils. Ich zweifelte das Urteil nicht an u. akzeptierte die Ernennung. Ich führte Mutter zu einer Lichtung, hieß sie, die nunmehr wieder jung u. schön war, ihr schwarzes Haar aus dem Nacken zu streichen u. ihren Kopf auf den Holzblock zu legen. Die weiße Haut ihres Nackens erregte mich u. erfüllte mich mit Zärtlichkeit u. Liebe. Ich nahm die große Doppelaxt u. schlug ihr mit einem einzigen Hieb den Kopf vom Leib. Dann erwachte ich voller Glücksgefühl.


Das Kind ab.


Die Stellwände bleiben in Schwarzlicht getaucht.


Über die Lautsprecher wird das Lied „Mama mia“ von Abba eingespielt.


Mit dem Ende des Liedes endet auch die Szene.


Licht aus.

3. Szene

3. Szene

Schlaraffenland


Die Bühne ist leer.


Die beiden Chöre treten auf u. stellen am linken u. rechten Bühnenrand jeweils eine Reihe Tassen, Gläser, Teller und Töpfe auf. In die Tassen stellen sie Löffel, in die Gläser Messer u. in die Töpfe Kochlöffel.

Während der Szene nimmt der eine Chor zuerst die Tassen u. rührt in unterschiedlicher Lautstärke mit den Löffeln darin rum, während der andere Chor in unterschiedlicher Lautstärke ruft:


Du bist wahnsinnig.

Du bist irre.

Du bist krank.

Du bist schuld.


Die Chöre wechseln sich im Rufen u. Rühren ab. Nach den Tassen nehmen sie die Gläser u. schlagen mit dem Messer dran, wie wenn man auf sich aufmerksam machen will, um eine Rede zu halten. Dann nehmen sie die Teller u. schmeißen sie fest auf den Boden, dass sie in Tausend Stücke zerbrechen. Am Schluss der Szene nehmen sie die Töpfe u. trommeln Samba-Rhythmen u. tanzen entsprechend. Immer im Wechsel mit dem Rufen der vier Anschuldigungen.


Der Mann betritt in Windeln die Bühne u. legt sich vor die hintere Wand auf den Rücken. Über seinen Mund hält er eine riesige Flüstertüte aus Blech. Während der Szene brüllt er folgende Kreuzworträtselfragen, die niemand beantwortet:


griech.-röm. Gott mit 6 Buchstaben

Ausflug zu Pferd mit 4 Buchstaben

Bild von E. Manet mit 4 Buchstaben

Kimonogürtel mit 3 Buchstaben

Bühnengestalt bei Brecht mit 5 Buchstaben

Kraftmaschine mit 5 Buchstaben

ital. Maler mit 8 Buchstaben

Oper von Händel mit 4 Buchstaben

Roman von H. Mann mit 15 Buchstaben

Insel in der irischen See mit 3 Buchstaben

Küchengerät mit 4 Buchstaben

Erbfaktor mit 3 Buchstaben


Die Frau in ärmellosem u. rückenfreiem Abendkleid betritt die Bühne. Sie stellt eine elektrische Kochplatte in die Mitte der Bühne u. schließt sie mittels eines Verlängerungskabels an. Sie legt einen Schlagstock, eine Suppenkelle u. eine große Spritze neben die Kochplatte.


Stimme des Doktors aus dem Off:


Der Mensch muss essen. Wenn der Mensch isst, ist er gesund.

Der Mensch muss essen. Wenn der Mensch isst, ist er gesund.

Der Mensch muss essen. Wenn der Mensch isst, ist er gesund.


Die Frau stellt einen sehr großen Topf, randvoll mit Erbsuppe, auf die Kochplatte. Sie rührt die Suppe mit einem Schlagstock.

Die Frau schluckt einige Pillen.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Dank der Medizin, denn sie hilft.

Dank der Medizin, denn sie hilft.

Dank der Medizin, denn sie hilft.


Die Frau:


hee


HEE


H-E-E-E-E


Die Frau schluckt weitere Pillen.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Wär doch gelacht, würden wir das nicht in den Griff kriegen.

Wär doch gelacht, würden wir das nicht in den Griff kriegen.

Wär doch gelacht, würden wir das nicht in den Griff kriegen.


Das Kind, gespielt von einem etwa dreißigjährigen Mann, betritt die Bühne. Es trägt Turnschuhe, Turnhose u. T-Shirt.

Die Frau zeigt mit dem Finger u. sagt:


Ohwehohwehohweh


Die Frau packt das Kind u. drückt es neben dem Suppentopf in die Knie. Das Kind faltet die Hände wie zum Gebet.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Es wird sich prächtig entwickeln. Da sind wir uns sicher.

Es wird sich prächtig entwickeln. Da sind wir uns sicher.

Es wird sich prächtig entwickeln. Da sind wir uns sicher.


Die Frau nimmt einen großen Schöpflöffel, füllt ihn mit Suppe. Hält ihn dem Kind vor den Mund. Die Suppe läuft über das T-Shirt. Die Frau gibt dem Kind eine Ohrfeige.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Man muss schon machen, was der Onkel Doktor sagt, sonst wird die Mutter böse u. das Kind kommt ins Krankenhaus.

Man muss schon machen, was der Onkel Doktor sagt, sonst wird die Mutter böse u. das Kind kommt ins Krankenhaus.

Man muss schon machen, was der Onkel Doktor sagt, sonst wird die Mutter böse u. das Kind kommt ins Krankenhaus.


Die Frau:


Aaaaaah

Brrrrrrrr

Scheiße


Die Frau nimmt die Spritze, geht an den Bühnenrand u. macht sich einen Einlauf. Dann geht sie zurück u. stellt sich über die Kochplatte u. lässt den Einlauf in die Suppe laufen.

Sie zieht die Spritze mit Suppe auf.


Die Frau:


Komm zu Mama.

Hopp, Hopp.


Die Frau wirft ein paar Tabletten ein.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Medizin ist bitter. Wer nicht hören will, muss fühlen.

Medizin ist bitter. Wer nicht hören will, muss fühlen.

Medizin ist bitter. Wer nicht hören will, muss fühlen.


Die Frau nimmt die Spritze, steckt sie in den Mund des Kindes u. drückt die Suppe in seinen Mund. Die Suppe läuft an den Mundwinkeln wieder heraus.


Die Frau:


Scheiße Scheiße Scheiße


Die Frau nimmt den Topf mit Suppe. Geht zu dem Mann u. schüttet die Suppe in die Flüstertüte. Der Mann spuckt, lässt sich aber nicht beirren u. stellt weiterhin seine Kreuzworträtselfragen.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Selbst ist der Mann. Gesund sein heißt stark sein.

Selbst ist der Mann. Gesund sein heißt stark sein.

Selbst ist der Mann. Gesund sein heißt stark sein.


Die Frau holt von hinter der Bühne einen weiteren Topf, gefüllt mit Chili con Carne. Im Chili steckt ein großer Holzlöffel.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Ballaststoffe beleben Geist und Körper. Und Remy räumt des Magen auf. Kommt der Reflux nimmt man flugs zwei Omep, wer bleibt schon gerne Depp. HaHaHa

Ballaststoffe beleben Geist und Körper. Und Remy räumt des Magen auf. Kommt der Reflux nimmt man flugs zwei Omep, wer bleibt schon gerne Depp. HaHaHa

Ballaststoffe beleben Geist und Körper. Und Remy räumt des Magen auf. Kommt der Reflux nimmt man flugs zwei Omep, wer bleibt schon gerne Depp. HaHaHa


Die Frau nimmt den Löffel u. füttert das Kind:


Einszweidrei für Oma.

hihihi

Einszweidrei für Opa.

hihihi

Einszweidrei für Onkel.

hihihi

Einszweidrei für Tante.

hihihi

Einszweidrei fürs Brüderchen.

hihihi

Einszweidrei fürs Schwesterchen.

hihihi

Einszweidrei für Papa.

hihihi

Einzweidreivierfünfsechs für Mama.

Hihihi


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Ehrenwert die Mutter, die sich selbstlos aufopfert. Helau.

Ehrenwert die Mutter, die sich selbstlos aufopfert. Helau.

Ehrenwert die Mutter, die sich selbstlos aufopfert. Helau.


Das Kind kotzt der Frau das Kleid voll.


Die Frau schreit.


Der Mann, besudelt mit Erbsuppe, steht auf, stürmt auf das Kind los u. schlägt es halbtot. Dann legt er sich wieder auf seinen Platz u. fährt fort mit seinen Kreuzworträtselfragen.


Die Frau weint. Sie wirft Tabletten ein.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Du treibst deine Mutter ins Grab. Du kommst ins Krankenhaus.

Du treibst deine Mutter ins Grab. Du kommst ins Krankenhaus.

Du treibst deine Mutter ins Grab. Du kommst ins Krankenhaus.


Die Chöre sind bei den Samba-Rhythmen angekommen. Sie halten mit einem letzten großen Trommelschlag inne.


Die Frau nimmt den Topf u. schüttet das Chili in die Flüstertüte des Mannes. Dann nimmt sie die Kochplatte u. trägt sie hinter die Bühne. Der Mann steht auf u. verlässt die Bühne.


Die Frau kommt zurück, zieht ihr Kleid aus u. wischt damit den Bühnenboden auf. Dabei stöhnt sie lautstark.


Die Stimme des Doktors aus dem Off:


Die Praxis schließt jetzt. Alle sind gesund.

Die Praxis schließt jetzt. Alle sind gesund.

Die Praxis schließt jetzt. Alle sind gesund.


Die Frau schreit:


Arschloch.


Die Frau erstarrt kniend in Putzhaltung


Das Kind stellt sich an den Bühnenrand u. legt sich in der Fötusstellung auf den Boden.


Aus dem Off die Stimme des Kindes. Die Stimme spricht sehr kindlich süß, als spräche sie mit einer Puppe oder einem Teddybären. Teilweise lispelt u. stottert die Stimme:


Ich erzähle dir einen Traum: Einst war ich in einem fernen Land. Das Meer brandete nicht weit von mir gegen Felsen. Doch der Urlaub endete. Ich nahm den Bus zum Flughafen. Als er auf die Autobahn fahren wollte, war sie gesperrt. Wir sahen eine riesige Sandpiste, die schnurgerade zum Horizont führte. Dahinter musste der Flughafen sein. Das Flugzeug sollte in einer Stunde starten. Mich überkam Gewissheit, dass wir es wohl verpassen würden. Der Fahrer beruhigte die Passagiere in einem Mischmasch aus vielen Sprachen. Wir fuhren an Pinien vorbei. Zuerst kroch der Bus eine sehr steile Straße hinauf. Ich dachte, er würde hinten überkippen. Doch der Bus schaffte es. Dann fuhr er eine ebenso steile Straße wieder hinab. Stell dir vor, wieder überschlug er sich nicht. Ich krampfte meine Hände in den Vordersitz. Wir kamen in einem Tal an. Unter Bäumen standen Bänke u. gedeckte Tische. Ein dicker, schmieriger Mann in schwarzem Anzug u. schwarzem Schnauzbart begrüßte uns herzlich. Nicht weit von den Bänken befand sich ein mit Stacheldraht eingezäuntes Areal. Ich hatte es schon von der Höhe aus gesehen. Ich hatte es für einen Schrottplatz gehalten. Ich näherte mich dem Stacheldrahtzaun u. sah, dass auf dem Areal viele schwarze, kleine Kampfjets und Stealthbomber standen. Ich wusste, sie standen da für mich. Auf dem Fest vermisste man mich nicht. Ich wusste, ich würde mit den Bombern wegfliegen. Dann wachte ich auf.


Das Kind verlässt die Bühne.


Die Frau weint u. schluchzt.


Über Lautsprecher wird Heinos „Karamba, Karacho, ein Whiskey“ eingespielt.


Die Frau steht auf u. tanzt zu dem Lied, das als Putzlappen missbrauchte Kleid wie eine Peitsche schwingend.


Lautstark grölt sie die beiden Zeilen mit:


Verflucht, sacramento, Dolores

Und alles ist wieder hin



Nach dem Lied verlässt sie die Bühne.


Die Chöre ab.


Licht aus.

4. Szene

4. Szene

Erde


In der Mitte der Bühne sind drei gläserne Drehtüren an den Eckpunkten eines gleichschenkligen Dreiecks aufgestellt. Sie stehen so dicht beieinander, dass zwischen den Drehtüren kein Durchkommen ist. Die Drehtüren besitzen jeweils nur einen Ausgang, der bei allen dreien lediglich in den Innenraum des Dreiecks führt. Die Drehtüren werden von Leuchtstoffröhren beleuchten, die am unteren Ende der Module angebracht sind. Sonst keinerlei Beleuchtung auf der Bühne.

Mann, Frau u. Kind – alle in schwarzer Kleidung – stehen im Innenraum des Dreiecks. Sie schweigen. Sobald einer der dreien eine Drehtür betritt, sieht man deutlich, dass er oder sie anfängt zu reden, man hört jedoch kein Wort. Nie betreten zwei Personen gleichzeitig eine Drehtür. Die Drehtüren werden mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, mal langsam gemächlich, mal hektisch schnell, mal panisch nervös, mal gelangweilt zeitlupenhaft betreten. Die Drehtüren spucken die jeweilige Person immer wieder zur Mitte hin aus, manchmal nach einer Runde, manchmal nach zwei, drei oder mehreren Runden. Die Drehtüren können von den Personen beliebig gewählt werden. Wird eine Person zur Mitte hin ausgespuckt, hört man jeweils das letzte Wort dessen, was die Person gesprochen hat, danach schweigt die Person augenblicklich still, in dem Wissen, dass das eine Wort schon nicht hätte gehört werden dürfen; dass es bereits zuviel verrät. Jeder der drei Personen hat ein Mikro anstecken. Die Worte werden sehr laut über die Lautsprecheranlage übertragen. Die Ausspuckfrequenz der dreien variiert, ebenso die Zahl deren, die sich gleichzeitig in der Mitte befinden.


Die beiden Chöre hocken vor der Bühne – je nach Höhe der Bühne entweder auf dem Boden oder auf Stühlen vor der Bühne. Sie sprechen ihren Text litaneiartig wie Gebete in der Kirche, allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Die Worte von Mann, Frau u. Kind sollten jedoch stets zu verstehen sein. Ist ein Chor mit seinem Text zu Ende, beginnt er von vorne. Die beiden Chöre sprechen im Wechsel.


Der Männerchor spricht:


I've been cheated by you since I don't know when

So I made up my mind, it must come to an end

Look at me now, will I ever learn?

I don't know how but I suddenly lose control

There's a fire within my soul

Just one look and I can hear a bell ring

One more look and I forget everything, o-o-o-oh

I've been angry and sad about the things that you do

I can't count all the times that I've told you we're through

And when you go, when you slam the door

I think you know that you won't be away too long

You know that I'm not that strong.

Just one look and I can hear a bell ring

One more look and I forget everything, o-o-o-oh


Der Frauenchor spricht:


Mamma mia, here I go again

My my, how can I resist you?

Mamma mia, does it show again?

My my, just how much I've missed you

Yes, I've been brokenhearted

Blue since the day we parted

Why, why did I ever let you go?

Mamma mia, now I really know,

My my, I could never let you go.


Am Rand der Bühne steht der Doktor mit schwarzem, langem Haar u weißem Kittel. Immer wieder versucht er gegen die Drehtüren anzulaufen, als sähe er das Glas, das die Türen umgibt, nicht. Er prallt ab – Mann, Frau u. Kind zeigen keine Reaktion, sie bemerken ihn schlichtweg nicht oder wollen ihn nicht bemerken – , torkelt rückwärts u. fällt von der Bühne in den Chor. Jedes mal entsteht Gerangel, begleitet von Schmährufen einiger der Chormitglieder (während die anderen unbeirrt in ihrem Text fortfahren). Chormitglieder schlagen ihn u. drängen ihn zurück auf die Bühne, als sei er etwas Ekelhaftes, das sie auf keinen Fall in ihrer Nähe haben wollen.


Kind:

mit


Frau:

.ihr


Mann:

.Keller


Frau:

.weilig


Mann:

.nie


Kind:

immer


Doktor:

Anankasmus ist ein pathologischer Zustand. Ohne Zweifel. Ein Zwang zum Zählen, Grübeln, Waschen, Kontrollieren, z.B. der Schlösser, der Gasöfen. Dieser Zwang lässt sich nicht abstellen, obwohl die Unsinnigkeit erkannt wird. Ich weiß Bescheid.


Kind:

weg


Mann:

Grab


Frau:

nie


Kind:

betrunken


Mann:

früher


Kind:

Schwanz


Frau:

heiraten


Mann:

.Frau


Mann:

immer


Kind:

nie


Frau:

immer


Kind:

Witz


Mann:

Mutter


Frau:

Sex


Frau:

leer


Kind:

nie


Frau:

Kinder


Mann:

gewollt


Kind:

weg


Mann:

gesagt


Frau:

immer


Mann:

sie


Kind:

nie


Kind:

ich


Frau:

nie


Mann:

es


Frau:

gemacht


Frau:

nie


Kind:

Ausland


Mann:

verzichtet


Frau:

immer


Doktor:

Sicherlich auch ein Magenkatarrh oder eine Magenschleimhautentzündung. Sicherlich primär oder sekundär, sicherlich akut oder chronisch, sicherlich pathologisch, superfizial, atrophisch oder sicherlich auch hypertrophisch. Sie Symptome sind glasklar verminderter Appetit, Druck und Völlegefühl, Erbrechen, belegte Zunge, Schwindel. Die Magensekretion ist ganz gewiss vermehrt oder vermindert. Der Stuhlgang ist absolut vermehrt oder diarrhoisch. Hundertprozentig liegt Obstipation vor. Ich weiß Bescheid.


Kind:

scheiße


Kind:

scheiße


Kind:

.scheiße


Mann:

dumme


Mann:

sau


Mann:

blöd


Frau:

der


Frau:

Kerl


Frau:

nicht


Kind:

immer


Mann:

mich


Frau:

immer


Mann:

du


Kind:

nie


Frau:

der


Mann:

nie


Frau:

Bett


Mann:

angefasst


Kind:

fressen


Mann:

immer


Kind:

nie


Frau:

immer


Doktor:

Ganz sicher liegt eine Borderline-Persönlichkeitsstörung vor. Also nichts anderes als eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Kein Zweifel. Zum Erscheinungsbild gehören immer sehr wechselhafte Stimmungen und Affekte, ein zerrüttetes Selbstbild, sieht man ja, sehr unterschiedlich ausgeprägte Arten von traumabedingten Dissoziationen und damit verbundene Autoaggression – krank krank krank u. wer leidet darunter: ich ich ich – sowie extreme zwischenmenschliche Sensibilität, na ja, ich hab da meine sicheren Zweifel, und extremes Emotionsgedächtnis. Vor allem die letzten beiden Symptome sind immer, wenn nicht noch öfters, Ursache für soziale Konflikte. Ich bin der lebende Beweis. Grundsätzlich sind die Symptome bei den Betroffenen sehr unterschiedlich; schwierige Sache, nur wenige wissen darüber so Bescheid wie ich, bei vielen von denen da ist es sogar gegenteilig. Ich weiß Bescheid.


Der Doktor rennt mit voller Wucht gegen eine der Drehtüren u. bleibt bewusstlos liegen.


Mann, Frau u. Kind formieren sich in der Mitte des Dreiecks ihrerseits zu einem Dreieck, die Gesichter schauen nach außen.


Die Chöre stehen auf, bücken sich über den auf dem Boden liegenden Doktor u. schlagen auf ihn ein. Dann zerren sie ihn von der Bühne. Sie kehren mit Farbeimern zurück u. schmieren mit bloßen Händen die Drehtüren mit roter Farbe ein, bis die drei im Innern nur noch als Schemen zu erkennen sind.


Die beiden Chöre stellen sich um die Drehtüren und singen a capella „we will rock you“ von Queen. Den Rhythmus schlagen sie mit den Händen auf die Umfassungen der Drehtüren.


Nach dem Ende des Liedes lachen die Chöre herzhaft.


Chöre verstummen


Man hört über Luatsprecher das Schlagen eines Herzens.


Stille


Dann Licht aus.